Faszination Fantasy

Es ist ja kein Geheimnis, dass Fantasy und Historie zusammenhängen. Allein die Tatsache, dass es mittelalterliche, ja sogar biblische Erzählungen über Drachen gibt, spricht dafür, dass typische Fantasyelemente fest im Lauf der Geschichte verankert sind. Als Beispiel fällt mir auch das Gilgameschepos ein. Und möglicherweise könnte man auch in Höhlenmalereien gewisse von der Phantasie inspirierte Elemente finden. Phantasie, und damit eingeschlossen auch das Fantasygenre, ist wichtig für die menschliche Psyche. Es tut gut, die Phantasie spielen zu lassen und kreativ zu schaffen.

Klassische Heldensagen spenden Trost und sind spannend. Helden sind Vorbilder, und um zu betonen, wie heldenhaft sie sind, müssen die von ihnen vollbrachten Großtaten natürlich unübertroffen sein. Was läge da also näher, als sich eines Kniffs zu bedienen? Der, gegen den unser Held gewinnt, ist übergroß. Ein unsagbar schreckliches Monster, grausam, der Teufel. Niemand anderes hätte eine Chance. Und eigentlich hatte der Held auch keine Chance, er musste schließlich seine Schwäche überwinden, um an sein Ziel, den großen Sieg, zu kommen. Helden stehen einer Übermacht gegenüber, gegen die jeder andere scheitern würde. So jemanden möchte man zum Freund. Oder man möchte gar selbst so sein. Deshalb hört man den Erzählungen über sie gerne zu. Vielleicht kann man ja etwas lernen, vielleicht strahlt der heldenhafte Glanz ja ein bisschen auf einen selbst ab.

Manchmal werden historische Figuren zu Helden stilisiert und um sie herum gibt es eine ganze Menge Legendenbildung. Manchmal sind körperliche Fähigkeiten, ihr vorbestimmtes Schicksal oder ihre Geisteshaltung der Grund dafür.

Sie heißen Michael Kohlhaas, Siegfried von Xanten, Arminius oder Barbarossa. Auf irgendeine Art hat es sie gegeben und irgendeine Art von Großtat(en) haben jeweils vollbracht. Und manches wurde hinzugedichtet, um die Heldenhaftigkeit noch zu erhöhen.

Durch das Erzählen dieser Heldengeschichten erhält man, so man denn darüber forschen möchte, Anhaltspunkte auf mögliche Aufenthaltsorte. Vielleicht gab es an dem Ort dann tatsächlich mal eine archäologisch belegbare Schlacht. Vielleicht sagen Quellen des Gegners etwas über die Zusammenhänge aus und nach und nach ergibt sich ein interdisziplinäres Bild, das belegt, dass es eine Person mit einem ähnlichen Namen tatsächlich gegeben hat. Spannend!

Eine Zeit lang war Fantasy verpönt. Noch in den 70ern und 80ern gab es Väter, die (meist) ihren Söhnen verboten, Fantasyliteratur und -filme zu konsumieren, weil sie dieses Genre für wertlos hielten. Ihnen nach wurden keine historischen oder überhaupt Inhalte von Wert vermittelt und es handele sich bloß um sinnlosen Zeitvertreib, der einen auf die falschen Gedanken bringt. Dabei eignet sich sogar Schillers „Die Bürgschaft“, einmal durch die richtige Brille gelesen, als Fantasyumsetzung. Aber nein, der Junge soll etwas ordentliches lernen und nicht so einen Firlefanz. Schon klar.

Heutzutage ist das Fantasygenre nicht mehr aus den Medien wegzudenken. Die Trickfilme der 50er Jahre, in denen ein Zyklop archaisch animiert durch einen Sindbad-Film marodierte, waren ein Grundstein für das, was Herr der Ringe und Co viele Jahrzehnte später mit CGI und teuren Requisiten abliefern sollten.

Und wie immer, wenn etwas beliebt ist, möchten die Leute es nachmachen um auch etwas von dem Kuchen abzubekommen. Ritter und Elfen waren schon dagewesen. Genauso wie Zwerge und Drachen. Was wir zu dem Zeitpunkt allerdings noch nicht erschöpfend behandelt hatten, waren die Wikinger. Und dann kam Vikings und plötzlich lag Haithabu in den Alpen und man flog irgendwann um 900 n. Chr. mit einem Heißluftballon auf eine Stadt zu.

Auch hier arbeitet man natürlich wieder bewusst mit dem Mittel der Übertreibung. Weil ich eine Optimistin bin, gehe ich davon aus, dass allen an solchen Filmen und Serien Beteiligten vollkommen klar ist, dass diese Dinge so nicht stattgefunden haben und auch nicht hätten stattfinden können. Bei so absurden Bildern geht es darum, dem Zuschauer ein mehr oder weniger bombastisches Bild zu zeigen, weil bombastische Bilder unterhaltsam sind und wir das mit den übertriebenen Schilderungen über unsere Helden verinnerlicht haben. Es funktioniert, deshalb macht man es.

Eine korrekte historische Darstellung ist in manchen Konzepten gar nicht gewünscht. Man muss sich als Serien- und Filmproduzent schließlich an zig Vorgaben halten, die allesamt damit zu tun haben dass das Endprodukt erfolgreich ist und ein vielfaches von dem einspielt, was es gekostet hat. Engagiert eine Produktionsfirma dann doch historische Berater, dann möglicherweise nur deshalb, um sagen zu können, dass historische Berater an der Produktion mitgewirkt haben.

(Internet-)Historiker monieren, dass da nicht genug differenziert wird. Dass die historischen Darstellungen in Produktionen mit historischen Stoffen schlecht umgesetzt sind. Was ja auch richtig ist. Aber das soll ja auch gar nicht so sein. Um einer historischen Produktion zum Erfolg zu verhelfen, muss man sich, so scheint es, der Fantasykrücke bedienen.

Das Problem ist an der Stelle, dass man versucht, Bildung aus einem Medium zu ziehen, das gar nicht vor hat, Bildung zu bieten. In einer Serie wie Vikings sind historische Orts- und Charakternamen eher als Eastereggs zu verstehen, als als tatsächliche Referenz für irgendwelche faktischen Zusammenhänge.

Meine Empfehlung ist übrigens tatsächlich dieser Easteregg-Gedanke. Es ist ja ganz nett, wenn man etwas Bekanntes in einer Serie sieht, die einem gefällt. Der Anspruch, historische Alltagskultur kinotauglich zu machen, ist nicht nur deshalb fast absurd hoch, weil historische Darstellungen einfach teuer sind. Es ist ja nunmal leider so, dass wir uns selbst in einer Alltagskultur befinden, die für uns eigentlich ähnlich langweilig ist wie für jede Generation vor uns. Mit dem kleinen Unterschied, dass wir im Schnitt weniger an Wundstarrkrampf sterben. Es muss schon was passieren.

Wenn aber die große Schlacht nur aus 10 vs. 10 Leuten besteht, weil es in der Vergangenheit einfach nicht die Regel war, ein Heer aus mehreren Tausend Mann zu haben, dann ist das eine Massenschlägerei, aber sicher nichts, weshalb man ins Kino gehen würde, geschweige denn ein Netflixabo abschließt.

Fantasy macht Menschen Freude. Und sich hin und wieder in solche Kleidung zu werfen um damit Fotos zu machen oder über einen Mittelaltermarkt zu schlendern, oder sogar eine LARP-Veranstaltung zu besuchen, ist ein absolut harmloser Spaß der jedem gegönnt sein soll. Manche nehmen ihre Fantasyrolle dann vielleicht ein bisschen zu ernst und transportieren das, was sie an ihrer Lieblingsserie besonders schätzen, rüber in ihren Alltag oder ihren Eskapismus. Und auch das sollte man den Leuten lassen, weil das ein wichtiger Kompensationsmechanismus ist.

Darf man denn solche Serien gar nicht kritisieren für das, was sie da zeigen?
Doch klar, darf man.
Es gibt nur einen Punkt, den man akzeptieren müssen wird. Der Hauptantrieb dieser Produktionen ist, genug Geld zu generieren um weiter produziert zu werden um noch mehr Geld zu generieren. Wenn eine Produktion akkurat auf die historische Authentizität achtet, dann weil irgendein Geldgeber das so möchte. Weil zum Beispiel der Anspruch des Hauptpublikums so aussieht. Man kann also verbissen darüber sein, dass es wieder irgendeine Produktion geschafft hat, Baumwollbeinwickel in die Requisite zu mogeln. Man kann sich aber auch einfach darüber freuen, dass es überhaupt Beinwickel aus Textil zu sehen gibt. Wie gesagt. Ich bin Optimistin.

Die Kunst ist, aus der berechtigten Kritik eben keinen Verdruss werden zu lassen. (Und keine Lästergrüppchen bei Facebook zu bilden, für die man ziemlich wahrscheinlich in die Hölle kommen wird.)

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